Tu es Petrus . . . .

Sehr geehrter Herr Schuster,
in der Kuppel des Petersdoms zu Rom steht in zwei Meter hohen Buchstaben das Zitat aus dem Matthäusevangelium, das mit den Worten „Tu es Petrus …“ beginnt und auf Deutsch wie folgt lautet: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und dir gebe ich die Schlüssel des Himmelreiches.“ Es ist ein Wort von ungeheurem Anspruch, ein Wort von magischer Autorität, ein Jahrtausendwort, das den Papst erhebt, das über ihm schwebt, das aber auch fordernd auf ihm lastet. Und dann folgt im Matthäusevangelium ein grandios zukunftsgewisser Satz über die Kirche: „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ Aber die Zukunftsgewissheit trog schon damals: Dieses Wort überwölbt eine Kathedrale, die mit Ablassbriefen finanziert wurde und die Anlass waren für die Kirchenspaltung in Katholiken und Protestanten. Die Grandiosität trägt den Zerfall bereits in sich.

Heimat der Täter

Die Hölle – das ist der Missbrauchsskandal. Er ist ein Verrat an den Opfern, am Evangelium, an der eigenen Integrität. Das Münchner Missbrauchsgutachten, das soeben publiziert und vorgestellt wurde, ist ein Blick ins Herz der ecclesialen Finsternis. Hat Papst Benedikt XVI, als er noch Erzbischof der Diözese München und Freising war, einen pädophilen Priester geschützt? Das Gutachten lässt kaum einen Zweifel daran. Dieser Fall ist ein bezeichnendes Exempel. Er zeigt, dass die Kirche die Heimat der Täter war und ist. Die Kirche hat die Räume zur Verfügung gestellt, in denen die Täter geschützt agieren konnten und in denen die Opfer so ungeschützt waren.

In meiner heutigen SZ-Plus-Kolumne schreibe ich über die Bedeutung des Missbrauchsgutachtens, ich schreibe über die Abwimmel-Suada des deutschen Papstes, ich schreibe darüber wie Benedikt abwiegelt und sich selbst von Schuld frei spricht: Ego me absolvo. 

Josef Ratzinger macht sich als Theologe und als Papst lächerlich, wenn er die Schuld am Missbrauch in der katholischen Kirche der 68er-Generation zuschreibt. Wer sich, wie das die katholische Kirche so lange getan hat und noch immer tut, die Rolle der Hüterin der öffentlichen Moral zuschreibt, der muss sich schon sehr genau anschauen lassen, wenn es um die Unmoral in den eigenen Reihen geht. Und der sollte mit Demut Gewissenserforschung betreiben und den Überlegenheitsanspruch ablegen. 

Erneuerung der Kirche

Das Missbrauchsgutachten handelt von der Verharmlosung der sexuellen Gewalt in der katholischen Kirche, es handelt von deren Vertuschung, es handelt von der Vertuschung der Vertuschung. Wie wird die katholische Kirche weiterleben? Verbrennt sie an und in diesem Skandal? „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ Ist das ein göttliches Versprechen, ist das ein eschatologischer Automatismus? In manchen Übersetzungen heißt es: „Die Pforten der Höllen sollen sie nicht überwältigen.“ Sollen! Das ist fordernder, weil es ein Tun verlangt: Die fundamentale Erneuerung der Kirche.
Ich wünsche uns restliche Januartage, die Hoffnung machen auf ein verträgliches Jahr.
Heribert Prantl
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung

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