Wahlsplitter

mistkaeferterror: Wenn etwas splittert, ist es zerbrochen.

Auch wenn es in Rheinland-Pfalz funktioniert, für den Bund ist eine solche Ampel sicher keine Option.

Malu Dreyer ist in RPL der Kitt. Einen solchen gibt es auf Bundesebene nicht.

Man stelle sich vor: Christian Lindner als Wirtschaftsminister und Toni Hofreiter im Umweltministerium: Knallgas ist dagegen eine laues Lüftchen.

Hat Olaf Scholz etwa Angst vor Janine Wissler?

*Bild oben: SZ-Ankündigung – 27.8.2021

Bananenrepublik Deutschland

ZERSTÖRUNG TEIL 1 – Balsam für die geschundene Seele eines Bürgers, der sich mittlerweile dafür schämt, deutscher, ja sogar mittlerweile dafür, europäischer Staatsbürger zu sein.

Flüchtlinge – Pandemie – Afghanistan – Klima (Flut, Brände, Dürren . . ) – . . .

Kleingeistige Dilettanten und Versager überall

ZERSTÖRUNG TEIL 1 heißt, es kommen sicher noch die Teile 2 und 3. Wir werden sie hier veröffentlichen.

Zerstörung Teil 2

usus modernus pandectarum

Sehr geehrter Herr Schuster,
von meinem Großvater, der Notariatsoberinspektor war, habe ich einen „Palandt“ geerbt. Es handelt sich dabei um ein regelmäßig in neuer Auflage erscheinendes juristisches Kommentarwerk, etwa zwei Ziegelsteine groß und auch etwa so schwer. Wahrscheinlich konnte niemand anderer mit diesem „Palandt“ etwas anfangen, zumal da es sich um eine schon damals alte Auflage handelte. Beeindruckt von Gewicht und vom Umfang der Schrift sowie von der kompletten Unverständlichkeit des Inhalts stellte ich mir, ich war damals an die zehn Jahre alt, den „Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch“ als Bücherstütze ins Regal, neben die Bände von Karl May und Prinz Eisenherz.

Zungenbrecher

Im Lauf der Zeit begann ich, die Menschen zu bewundern, die sich mit diesem Buch und mit Sätzen wie diesem ihr Brot verdienen können: „Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.“ Es handelt sich bei diesem Zungenbrecher um den Paragrafen 164 Absatz 2 BGB. Dieser besagt, ins normale Deutsche übersetzt, dass im Zweifel ein Jeder im eigenen Namen handelt. Wenn man aber so einen verschraubten Satz nur oft genug gelesen hat, wird er einem so lieb wie „Fischers Fritze fischt frische Fische“.

Es gibt zwei aktuelle Anlässe, warum ich mich daran erinnere: Zum einen wurde der „Palandt“ soeben von seinem Verlag, dem Verlag C.H. Beck in München, umbenannt. Er trug nämlich immer noch den Namen eines NS-Juristen, der von 1934 bis 1943 Präsident des Reichsjustizprüfungsamts gewesen war. Dieser Otto Palandt schrieb 1935 Sätze wie diesen: Junge Juristen müssten lernen, „Volksschädlinge zu bekämpfen“ und die „Verbindung von Blut und Boden, von Rasse und Volkstum“ zu begreifen. Der „Palandt“ heißt künftig, ab der 81. Auflage von 2022, „Grüneberg“, benannt nach Christian Grüneberg, Richter am Bundesgerichtshof; er ist der Koordinator der vielen Autorinnen und Autoren, die derzeit die zweieinhalbtausend Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf 3300 Seiten erläutern.

Erstrangige geistige Kraft

Dieses Bürgerliche Gesetzbuch hat, und das ist der zweite und eigentliche Anlass für diesen Newsletter, ein großes Jubiläum: Im August 1896 stimmte der Reichstag dem endgültigen Entwurf zu. Am 18. August 1896, also am kommenden Mittwoch vor 125 Jahren, unterschrieb Kaiser Wilhelm II. das BGB mit seinen fünf Teilen – es war verkündet: Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht, Ehe- und Familienrecht, Erbrecht. 22 Jahre lang war intensiv daran gearbeitet worden. Es ist eines der am gründlichsten vorbereiteten Gesetzbücher der Rechtsgeschichte, ein kompliziertes, aber geniales gesetzestechnisches Meisterwerk auf der Basis des römischen Rechts; es beendete eine heute unvorstellbare Rechtszersplitterung in Deutschland – in München galt ein anderes Recht als in Köln, in Köln ein anderes als in Hamburg, in Hamburg ein anderes als in Dresden. Die Schöpfer des BGB standen vor einer ähnlichen Aufgabe wie sie sich heute für die Europäische Union stellt: unterschiedlichste Rechte zusammenzufassen, zu koordinieren und zu systematisieren.

Frederic William Maitland, der berühmte englische Rechtshistoriker, schrieb damals über das BGB: Niemals sei „so viel an erstrangiger geistiger Kraft in einen Akt der Gesetzgebung gesteckt worden“. Zu den großen Dingen, die der Deutsche getan habe, gehörte dies: „Er hat den zentralen Bereich seines Rechts kodifiziert; er hat sein juristisches Haus in Ordnung gebracht; er hat den Kehricht in den Abfalleimer gefegt; er hat sich darum bemüht, seine Rechtsordnung in eine rationale, kohärente und moderne Form zu bringen, wie es sein Land und unser Jahrhundert verdienen.“ Dieses BGB ist nicht so schwungvoll wie der napoleonische Code Civil von 1804, in dem der Dichter Stendhal gerne las, um seinen Stil zu schulen. Mit dem BGB kann man aber das Gedächtnis schulen. Es war der Höhe- und Schlusspunkt des usus modernus pandectarum, also der virtuosen Verarbeitung, Pflege und Fortentwicklung des römischen Rechts (der „Pandekten“) in Deutschland. Das BGB fasste die Rechtsentwicklung eines halben Jahrtausends zusammen. Mit diesem Gesetzbuch endet aber auch die große Zeit der Wissenschaft vom römischen Recht in Deutschland.

Mit sieben Siegeln verschlossen

Wäre es nach seinen Kritikern gegangen, das BGB wäre nicht einmal 25 Jahre alt geworden. „Man sinnt uns ein Gesetzbuch an“, so schrieb seinerzeit der Deutschrechtler Otto von Gierke, „mehr römisch als deutsch, dem eigenen Volk ein mit sieben Siegeln verschlossenes Buch“. Die meisten Fachleute sagten ihm denn auch keine lange Lebensdauer voraus: „Ein müder Greis sucht eine kurze Ruhestatt, ehe er ins Grab sinkt.“ Es waren seine angeblichen Schwächen, die das BGB erfolgreich gemacht haben: Abgesehen vom altväterlich-patriarchalischen Familienrecht, das im Lichte und im Geist des Grundgesetzes und der Gleichberechtigung komplett umgeschrieben worden ist, war und ist das BGB ein abstraktes Recht. Es ist insofern politisch neutral, als es für beliebige Konfliktlösungen und Wertungen eingesetzt werden kann. Es ist entstanden in einer Zeit, die auch schon darüber geklagt hat, dass alles immer komplizierter und komplexer wird. Aber mittels seiner Paragrafen waren die Juristen bis heute in der Lage, mit noch größeren Kompliziertheiten und Komplexitäten, mit Kriegs- und Nachkriegswirren, mit Inflation und grundlegenden Veränderungen der Lebenswelt juristisch fertig zu werden.

Die Väter des BGB (Mütter gab es keine), „preschten nicht mit Volldampf in die neuen Zeiten“, erläutert der Regensburger Rechtshistoriker und Familienrechtler Dieter Schwab. Sie hielten alles vom Gesetzbuch fern, was sie in seiner Dimension noch nicht einschätzen konnten: Das Abzahlungsgesetz von 1894 als das erste Verbraucherschutzgesetz blieb ebenso außerhalb des BGB wie das „Gesetz betreffend Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen“ von 1871.

Auch die sozialen Probleme seiner Zeit hat das Bürgerliche Gesetzbuch kaum zur Kenntnis genommen, mehr als ein paar Tropfen an sozialem Öl hat es nicht abbekommen. Die schroffe Formulierung des römischen Eigentumsbegriffs (Paragraf 903 BGB: „Der Eigentümer einer Sache kann mit der Sache nach Belieben verfahren.“) wurde zwar um den Zusatz gemäßigt „soweit nicht Beschränkungen dieses Rechts durch Gesetz oder durch Rechte Dritter begründet sind“. Der Schutz vor dem Missbrauch wirtschaftlicher Freiheit musste aber erst in Sonder- und Nebengesetzen aufgebaut werden.

Gebrauch und Missbrauch

Kurz: Das BGB war und ist ein Werkzeug, das zu vielem gebraucht und zu vielem missbraucht werden konnte. Deshalb hat es in fünf Staatsreformen und Regimen funktionieren können: im Kaiserreich und der Weimarer Republik; im Nazireich, das ein neues Volksgesetzbuch schreiben wollte, aber das nicht mehr schaffte; in der DDR (bis 1972); und in der Bundesrepublik. Deshalb wurde das BGB 1898 in Japan übernommen und 1930 in China, deswegen hat es das griechische Gesetzbuch von 1940 beeinflusst, haben Brasilien und Peru darauf zurückgegriffen. Als freilich nach dem Ende des Ostblocks die neuen Privatrechtsordnungen der osteuropäischen Staaten entwickelt wurden, war die Lust auf das deutsche BGB dort nicht mehr allzu groß; es galt als viel zu kompliziert.

Wenn Professoren wahnsinnig werden

Das ist nicht falsch. Das BGB hat die Eigenheit, dass unter seinen zweitausenddreihundertfünfundachtzig-und-ein-paar-zerquetschten Paragrafen, die das Leben, Lieben und Wirtschaften des Menschen von der Wiege bis zur Bahre und darüber hinaus penibel regeln und ordnen, nicht nur Zungenbrecher sind. Gleich kapitelweise finden sich dort auch solche Paragrafen, die man mit Fug und Recht als Hirnbrecher bezeichnen darf.

Die meisten davon enthält der Teil des Gesetzeswerks, der „Schuldrecht“ heißt, sich mit Störungen in vertraglichen Beziehungen befasst und als juristische Schaltzentrale fungiert; alles Recht hört auf das Kommando dieses hirnbrecherischen Schuldrechts. Im vierten Semester, beim Studium der dortigen Vorschriften über die Nicht- und die Schlechterfüllung von Verträgen, habe ich deshalb den eingangs genannten alten BGB-Kommentar, der mich bis dahin als Maskottchen und Bücherstütze begleitet hatte, an einem heißen Sommerabend voller Zorn und Verzweiflung aus dem Fenster geworfen. Die Straftat des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, die in dieser Art der Eigentumsaufgabe zu sehen sein dürfte, ist mittlerweile verjährt, und die Scham über das eigene intellektuelle Unvermögen wurde schon seinerzeit gemildert durch den Trost des Professors, dass es auch schon Lehrstuhlinhaber gegeben habe, die über dem Studium dieser Rechtsmaterien wahnsinnig geworden seien.
Leuchtende Augen

Seit dem 1. Januar 2002 sind alle beim BGB-Studium rasend Gewordenen rehabilitiert. Seit diesem Tag gilt nämlich ein etwas einfacheres und übersichtlicheres Schuldrecht. Es ist unter der Ägide der damaligen SPD-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin reformiert worden. Vorgaben aus Brüssel, die den elektronischen Geschäftsverkehr betreffen, wurden eingearbeitet. Heute geschieht ähnliches mit dem digitalen Kaufrecht. Däubler-Gmelin nutzte vor zwanzig Jahren die europäische Gelegenheit, das geschriebene Recht auf den neuesten Stand zu bringen. Dinge, die nicht im BGB standen, die aber von den obersten Gerichten in den vergangenen hundert Jahren entwickelt worden waren, wurden eingearbeitet. Der „Wegfall der Geschäftsgrundlage”, die „positive Vertragsverletzung” oder das „Verschulden bei Vertragsverhandlungen” – Rechtsfiguren, bei denen Juristen leuchtende Augen kriegen – wurden im neuen BGB legalisiert. Viele Sondergesetze, die neben dem BGB entstanden, sind seit der Schuldrechtsreform wieder in dieses zentrale Gesetzbuch integriert.

Dieses reformierte BGB, so hat es damals die Bundesjustizministerin versprochen, sei „eine große Etappe auf dem Weg zu einem europäischen Zivilgesetzbuch“. Das war und ist ein schöner und frommer Wunsch, der auf die gemeinsamen römisch-rechtlichen Grundlagen der europäischen Rechtsordnungen vertraut. Das BGB wird noch viele Geburtstage feiern, bis er sich erfüllt.

Ich wünsche Ihnen wunderbare August-Tage. Mein nächster Brief erscheint, nach einer kleinen Sommerpause, am 12. September.

Ihr 
Heribert Prantl, 
Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung

Klimastreik – Freitag – 24. september 2021

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Nicht Campact, sondern ich schreibe heute direkt – mit klopfendem Herzen. Ich bin Carla Reemtsma, 23 Jahre alt und Aktivistin für Klimagerechtigkeit bei Fridays for Future. Als Pressesprecherin der Bewegung bin ich es gewohnt, öffentlich zu sprechen. Aber jetzt bin ich aufgeregt: Noch nie war unser Protest so wichtig wie jetzt. Denn mit der kommenden Bundestagswahl stehen wir vor einer echten Schicksalswahl.
Uns bleiben nur noch wenige Jahre, um die Klimakrise und das Artensterben zu stoppen. Die nächste Regierung entscheidet darüber, wie meine Zukunft aussehen wird – und die aller kommenden Generationen. Viel zu lange hat Laschets Union den Klimaschutz blockiert und unseren Protest gleichgültig ausgesessen. Dabei ist eine deutliche Mehrheit der Menschen für konsequenten Klimaschutz.[1] Das macht mich wütend. Aber jetzt haben wir einen mächtigen Hebel: das Kreuz auf dem Wahlzettel.
Diese Bundestagswahl ist eine historische Chance. Und wir müssen sie nutzen! Deswegen rufen wir zum großen Klimastreik am Freitag, den 24. September auf. Denn auf die 48 Stunden vor der Wahl kommt es an. Viele Menschen entscheiden erst kurz vorher, wen sie wählen. Auf den Titelseiten, im Radio, in den Fernsehnachrichten: Bundesweit machen wir unseren Protest zum Thema Nummer eins. So erreichen wir genau zum richtigen Zeitpunkt die vielen kurzentschlossenen Wähler*innen – und gewinnen sie für den Klimaschutz.
Aber das schaffen wir nur, wenn in ganz Deutschland Hunderttausende Menschen auf die Straßen gehen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit: Schon in wenigen Tagen wollen wir unzählige Plakate und Aufkleber drucken, Zeitungsanzeigen schalten und Bühnen für die großen Städte organisieren. Zusätzlich brauchen wir diesmal riesige Lautsprecheranlagen, damit alle trotz Corona-Abstand gut hören können. Ein gewaltiger Kraftakt. Darum bitte ich Sie: Unterstützen Sie uns. Machen Sie mit Ihrer Spende den so wichtigen Klimastreik direkt vor der Wahl möglich.
Greta Thunberg hat mich wachgerüttelt – mit Ihrer eindringlichen Rede auf der Klimakonferenz 2018 in Kattowitz. „Wir sind hierher gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass ein Wandel kommen wird, egal, ob Sie es wollen oder nicht. Die wirkliche Macht gehört den Menschen.“[2] Diese Sätze haben ein Feuer in mir entfacht, das bis heute brennt. Ich bin überzeugt: Gemeinsam können wir die Welt bewegen.
In den vergangenen zwei Jahren haben wir von Fridays for Future gemeinsam mit Hunderttausenden Streikenden schon viel geschafft. Das Meer aus bunten Schildern, das Hüpfen in der Menge, die Rufe aus unzähligen Mündern – unsere Streiks zeigen immer wieder, wie viele Menschen das Thema bewegt. Und wie stark die Klimakrise uns schon heute trifft, hat vielen auch die schreckliche Flutkatastrophe im Juli klar gemacht. Doch bisher handelt die Politik, allen voran die CDU/CSU, nicht entsprechend. Mit dem Streik kurz vor der Bundestagswahl können wir uns jetzt für eine gerechtere Klimapolitik einsetzen.
Eineinhalb Jahre Corona-Pandemie haben uns dazu gezwungen, unseren Protest ins Internet oder aufs Fahrrad zu verlegen. Aber jetzt ist unsere Bewegung zurück – und wir haben eine Mission: einen riesigen Klimastreik direkt vor der Wahl zu starten! Egal, ob Stadt oder Land, jung oder alt – damit dieser Tag die Welt bewegt, müssen wir Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft mitnehmen. Mit Ihrer Unterstützung kommen auch der konservative Geschäftsmann, die hedonistische Clubgängerin und der politikverdrossene Fußballspieler zum wahlentscheidenden Streik.
Bunte Aufklebe-Tattoos, lustige Bierdeckel und auffallende Videoclips – wir müssen uns richtig ins Zeug legen, um so viele Menschen wie möglich für unseren Protest zu gewinnen. Und es eilt: Die Designvorlagen sind fertig, die Kostenvoranschläge eingeholt, jetzt muss alles zügig fertig werden. Wenn Menschen wie Sie uns mit Ihrer Spende helfen, dann können wir es noch rechtzeitig schaffen – und am 24. September gemeinsam Geschichte schreiben! Bitte spenden Sie jetzt für den Klimastreik und werden Sie Teil der größten Klimabewegung, die es je gab. 
Herzliche Grüße
Carla Reemtsma
Campact e.V.
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN DE26 2512 0510 6980 1716 71
BIC BFSWDE33HAN
[1]„ARD-Deutschlandtrend: Mehrheit sieht Handlungsbedarf beim Klimaschutz“, tagesschau.de, 22. Juli 2021
[2]„Greta Thunberg, 15: Mein Appell an die Welt“, Der Tagesspiegel, 20. Dezember 2018

 Das Inferno ist da*

MEINUNG zum Tagesanbruch

von Florian Harms – T-Online – 5.8.2021 

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

die Luft schmeckt wie Pudding. Jeder Atemzug kostet Anstrengung. Die Haut fühlt sich an, als würde sie geröstet. Jeder Schritt ist mühsam, das Denken wird zu einem zähen Brei, der zu einem einzigen sehnsüchtigen Gedanken gerinnt: trinken! Wer dann keine Wasserflasche zur Hand hat und keinen Schatten findet, empfindet Verzweiflung, die sich binnen Minuten zur Panik steigern kann: Ich muss hier weg!

So fühlt es sich an, wenn man mehr als 50 Grad Celsius ausgesetzt ist. Die Hitze traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht, als ich vor 16 Jahren durch die libysche Wüste fuhr. Bei geöffneten Autofenstern und Fahrtwind war sie erträglich, aber als der Jeep dann stehen blieb, als ich ausstieg und in die gleißende Sonne trat, da erlebte ich am eigenen Leib, welche brutale Wirkung die Sonne entfalten kann, wenn sie einen Landstrich aufheizt. Selbst wenn mal ein paar Regentropfen fallen, verdunsten sie augenblicklich, der benetzte Boden bricht wie eine Kruste auf, jedes Pflänzlein verdorrt.

Hitze in der libyschen Wüste: Das Thermometer zeigt mehr als 50 Grad – und eine angebliche Regenprognose. Bei solchen Extremtemperaturen spielt auch die Technik verrückt. (Quelle: Lutz Jäkel)Hitze in der libyschen Wüste: Das Thermometer zeigt mehr als 50 Grad – und eine angebliche Regenprognose. Bei solchen Extremtemperaturen spielt auch die Technik verrückt. (Quelle: Lutz Jäkel)

Selbst ein bisschen Regen kann den ausgedorrten Boden in der Wüste nicht mehr zum Sprießen bringen.  (Quelle: Lutz Jäkel)Selbst ein bisschen Regen kann den ausgedorrten Boden in der Wüste nicht mehr zum Sprießen bringen. (Quelle: Lutz Jäkel)

Was ich vor 16 Jahren in der Sahara erfuhr, könnten wir bald auch in Europa erleben. Die Erderhitzung beschert uns immer öfter Extremwetter, die Durchschnittstemperaturen klettern höher und höher, und wir tun viel zu wenig dagegen. Die Menschen in den Mittelmeerländern bekommen in diesen Tagen einen Vorgeschmack von dem Inferno, das nicht nur Afrikanern, Amerikanern und Australiern, sondern auch uns Europäern bald regelmäßig droht. In Griechenland werden 47 Grad Celsius gemessen, ganze Landstriche verdorren. Schon der Funke einer Zigarette genügt, um eine Flammenhölle zu entfachen. In den Vororten von Athen wüten Wald- und Buschbrände, beißender Qualm durchzieht die Stadt, Ascheflocken wirbeln durch die Luft. Auch auf dem Peloponnes und auf Urlaubsinseln wie Rhodos und Kos brennt es lichterloh, Hunderte Häuser sind in Flammen aufgegangen. „Es ist ein Alptraumbrand“, sagt Regierungschef Kyriakos Mitsotakis.  

In der Türkei ist die Lage ebenfalls außer Kontrolle geraten. An der Westküste lodern zahlreiche Brände, einige bedrohen Touristenhotels, ein anderer erfasst ein Kohlekraftwerk. „Die Situation ist sehr ernst“, warnt der Bürgermeister der Stadt Milas nahe der Ägäis. In Italien hat die Region Molise wegen der Buschfeuer den Notstand beantragt. In Sizilien kämpfen Feuerwehrleute Tag und Nacht gegen die Flammen. Gestern hat die EU-Kommission Flugzeuge, Hubschrauber und Brandexperten nach Griechenland, Italien, Albanien und Nordmazedonien geschickt. Europa kämpft gegen das Inferno.

Ein Feuerwehrmann im Einsatz gegen den Waldbrand in einem Vorort von Athen.  (Quelle: dpa/Marios Lolos/XinHua)Ein Feuerwehrmann im Einsatz gegen den Waldbrand in einem Vorort von Athen. (Quelle: Marios Lolos/XinHua/dpa)

Auch auf der griechischen Ferieninsel Evia wüten die Flammen.APTOPIX Greece Wildfire (Quelle: AP/dpa/Michael Pappas)Auch auf der griechischen Ferieninsel Evia wüten die Flammen. (Quelle: Michael Pappas/AP/dpa)

Nicht jedes Buschfeuer ist eine unmittelbare Folge der Klimakrise, aber die Erderhitzung steigert das Risiko unkontrollierbarer Brände – keinesfalls nur in fernen Ländern, sondern auch hierzulande. Experten des Umweltbundesamts sagen für die kommenden Jahrzehnte ein steigendes Waldbrandrisiko in Deutschland voraus. Die Gründe liegen im Wesentlichen in erhöhten Temperaturen und Trockenheit. 

Berechnungen des Weltklimarats zufolge werden Hitzewellen, Dürren und Starkregen massiv zunehmen. Nicht nur auf ohnehin gebeutelte Länder wie Griechenland kommen dann Kosten von Hunderten Milliarden Euro zu. Es scheint nicht mehr undenkbar, dass ganze Staaten durch die Extremwetterschäden in die Pleite schlittern. Zerstörte Stadtviertel, die nicht mehr aufgebaut werden können, verlassene Felder, Zonen ohne staatliche Kontrolle: Was wir derzeit nur aus gescheiterten Staaten wie dem Südsudan oder dem Libanon kennen, ist künftig auch in Europa vorstellbar.

Und der Planet heizt sich immer weiter auf. „Im Prinzip müssen wir uns jedes Jahr auf neue Temperaturrekorde einstellen“, sagt der Klimaforscher Thomas Jung vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung im Gespräch mit dem Nachrichtenportal Watson. „Wenn man das einmal losgetreten hat, muss man lernen, damit zu leben.“ Das CO2 aus der Atmosphäre herauszubekommen oder die Wärme aus dem Ozean, funktioniere nicht so schnell. „Wenn man den Ausstoß der Treibhausgase heute auf null runterfahren würde, würde dieser Prozess trotzdem weitergehen“, erklärt der Experte. „Der bisherige Klimawandel führt dazu, dass Extremwetterereignisse bis zu vier Grad Celsius heißer ausfallen als in präindustriellen Zeiten.“ Und das sei erst der Anfang der Erwärmung: „Wenn man in die Zukunft schaut, kann man gern noch einmal sieben, acht oder neun Grad auf die jetzigen Temperaturen draufpacken. Da kommt man dann in Bereiche, wo man an die 50 Grad erreicht.“ Schon in den nächsten 30 Jahren werden wir in einer anderen Welt leben als heute: „Wenn es so heiß und auch feucht wird, dass Schwitzen uns nicht mehr kühlt, ist das auch für den fittesten Menschen nicht lebbar.“

Nicht lebbar“: Welch eine Formulierung. Sie klingt wie aus einem Backofen. Trotzdem machen fast alle Regierungen rund um den Globus immer noch zu kleine Schritte beim Klimaschutz, lassen sich viele Menschen nicht von ihrem gewohnten Konsumtrott abbringen: Morgens mit dem SUV ins Büro, Billigklamotten aus Asien shoppen, täglich Fleisch auf dem Teller, Fernreisen mit dem Flieger. Kaum sind die Länder Europas aus dem Corona-Lockdown herausgekommen, schießen die CO2-Emissionen wieder in die Höhe. Verhindern lässt sich der Temperaturanstieg nicht mehr, aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob er anderthalb, zwei oder noch mehr Grad im weltweiten Durchschnitt beträgt. Es ist der Unterschied zwischen einem Backofen und der Hölle.

Wir müssen unser Verhalten schnellstens ändern, um das Schlimmste zu verhindern: Das ist der glasklare Appell, den mehr als 14.000 Wissenschaftler soeben veröffentlich haben. Was zu tun ist, ist seit langem bekannt. Klimaschutz als höchste Priorität im Regierungshandeln und auf jedem internationalen Gipfeltreffen. Schnell raus aus der Kohleverbrennung. Windräder und Solaranlagen bauen, auch gegen Widerstände. Wärmedämmung und moderne Heizungen für alle Gebäude. Busse, Bahnen und Fahrradwege statt Blechlawinen in den Städten. Die biologische Landwirtschaft viel stärker fördern. Die absurde EU-Politik stoppen, die den Bau von Kohlekraftwerken in Südafrika und die Abholzung des Regenwalds in Südamerika fördert. 

All das und vieles mehr ist nötig. Es kostet Unsummen und verlangt jedem Einzelnen enorme Umgewöhnung ab. Doch die gute Nachricht ist: Wir können es schaffen, noch haben wir es in der Hand. Das darf man die Parteien im Bundestagswahlkampf gern wissen lassen. 50 Grad Hitze sollten wir uns nicht antun.

*komplett übernommen von T-Online

mistkäferterror meint: Das ist keine Panikmache, der Beitrag beschreibt den derzeitigen Zustand auf der Erde und gibt einen Ausblick in die Zukunft. Schon vor vierzig Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor dem gewarnt, was heute ist und uns morgen erwarten wird.

Vielleicht sollten wir einmal nur die jeweils letzten Seiten der Mythologien der Griechen, Römer, Germanen und anderer Völker lesen, dann wissen wir, was auf uns zukommt. Auch die Bibel endet so. Nur, was folgt dann? Aus vertrockneter Erde kann Gott oder wer auch immer keinen „neuen Menschen“ schaffen.

Deutschland bei Schiene auf Rekordkurs . . . .

. . . . international aber nicht einmal Mittelmaß

Bilanz der scheidenden Bundesregierung fällt gemischt aus / Große Aufgaben für Nachfolger / Vergleich der Pro-Kopf-Investitionen in europäischen Ländern

Auf der Brücke schnell durch das Tal: Eine leistungsfähige Infrastruktur ist die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Schienenverkehr.

Berlin, 4. August 2021. Deutschland hat seine Investitionen in die Schieneninfrastruktur im vergangenen Jahr um fast 16 Prozent auf 88 Euro pro Einwohner erhöht und damit so viel in den klimafreundlichen Verkehrsträger investiert wie nie zuvor. Dennoch fällt die Bundesrepublik mit ihren Schieneninvestitionen beim europäischen Pro-Kopf-Vergleich von Allianz pro Schiene und SCI Verkehr gegenüber den führenden Eisenbahnländern Luxemburg, der Schweiz und Österreich weiterhin deutlich ab.

Bilanz der Bundesregierung fällt gemischt aus

„Die Bilanz der scheidenden Bundesregierung fällt gemischt aus“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, bei der Pressekonferenz in Berlin zur Vorstellung der aktuellen Pro-Kopf-Daten. „Sie hat mit einer deutlichen Aufstockung der Etats für einen deutschen Höchststand gesorgt. International stellt Deutschland aber nicht einmal Mittelmaß dar. Die aktuelle Bundesregierung hinterlässt ihren Nachfolgern in der Verkehrspolitik riesige, unbewältigte Aufgaben. Wer immer die Wahl im September gewinnt, muss vor allem den Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur beschleunigen. Ausgerechnet dort hat die Bundesregierung für 2020 die Mittel sogar gekürzt. Ohne zusätzliche Gleise aber wird Deutschland weder den Deutschlandtakt bekommen noch die Fahrgastzahlen auf der Schiene verdoppeln noch mehr Transporte auf die Schiene verlagern können“, meinte Flege. 

Quelle: Allianz pro Schiene

Quelle: Allianz pro Schiene

Steigerungen im Vierjahreszeitraum stellen Bundesregierung nur teilweise gutes Zeugnis aus

Zwar stiegen die jährlichen Investitionen in die Schiene im Zeitraum 2016 bis 2020 von 64 Euro auf 88 Euro und damit um knapp 38 Prozent. Doch drei Einschränkungen relativieren diese Zunahme. Erstens bleibt der Abstand zur europäischen Spitze gewaltig. Die führenden Länder wie Luxemburg, die Schweiz oder Österreich investieren pro Einwohner ein Vielfaches in die Schiene. Und selbst Italien investiert mit 120 Euro deutlich mehr als Deutschland. Zweitens fehlte der amtierenden Bundesregierung der Mut, der Schiene Vorrang in der Verkehrspolitik einzuräumen. „Nach wie vor gehört die Bundesrepublik zu den Ländern, die mehr Geld für Fernstraßen ausgeben als für Gleise und damit die völlig falschen Prioritäten setzen“, betonte Flege. Schließlich gleichen die Erhöhungen der Etats zum großen Teil nur die massiven Steigerungen der Baukosten aus und bedeuten nicht eins zu eins mehr Schiene.  

Standort Deutschland braucht leistungsfähige Schieneninfrastruktur

Auf die Bedeutung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur für die Wirtschaft wies Maria Leenen, Geschäftsführerin von SCI Verkehr, hin. „Mit seinen heutigen Investitionen in die Schiene bleibt Deutschland als Standort hinter wichtigen Wettbewerbern zurück. Die Nachfrage nach Verkehr auf der Schiene wird weiterwachsen – die Corona-Pandemie hat den Anstieg unterbrochen, aber wird ihn nicht dauerhaft stoppen. Darauf muss sich die Bundesrepublik vorbereiten.“ Geld allein reiche aber nicht, betonte Leenen. „Um den klimatisch notwendigen und verkehrspolitisch geplanten Umstieg von Menschen und Gütern von der Straße auf die Schiene zu schaffen, brauchen wir ausreichende finanzielle Mittel, aber auch eine veränderte Planung und eine zügigere Umsetzung. Bypässe in Form von Überholgleisen oder Abstell- und Ladeflächen entlang bestehender Strecken müssen vereinfacht und schnell umsetzbar sein. Nur dann ist das gewünschte Wachstum auf der Schiene machbar.“

Diese diene auch dazu, Beschäftigung in Deutschland dauerhaft zu sichern. „Alle Studien zu dem Thema zeigen: Die Schiene ist ein Jobmotor, der sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft. Höhere Investitionen in die Schieneninfrastruktur bringen Deutschland nicht nur beim Klimaschutz voran. Sie wirken sich auch am Arbeitsmarkt positiv aus.“

Reparatur für Flutschäden muss zusätzlich finanziert werden

Wichtig ist laut Leenen zudem in der aktuellen Situation, dass die Finanzmittel für die Reparatur der Bahninfrastruktur in den Flutgebieten zusätzlich bereitgestellt werden. „Die Hochwasserkatastrophe stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, die nicht zu Kürzungen bei den Infrastrukturinvestitionen an anderer Stelle führen darf.“

würde der Plastikmüll in den Ozeanen leuchten

Sehr geehrter Herr Schuster,
würde der Plastikmüll in den Ozeanen leuchten – Jeff Bezos hätte ihn von oben, aus dem All, sehen können. Ob er leuchtende Augen bekommen hätte? Er hätte sich fragen können, wie hoch sein eigener Anteil daran ist, also der Anteil von Amazon. Der Amazon-Gründer muss sich aber nicht in den Weltraum schießen lassen, um die Antwort zu finden. Die Antwort steht, zum Beispiel, in den Berichten der Meeresschutzorganisation Oceana: Der Plastikmüll allein aus den Verpackungen des Internethandels wiegt demnach, aufs Jahr zusammengerechnet, 900 Millionen Kilogramm. Der Anteil von Amazon macht, sagt Oceana, 211 Millionen Kilogramm jährlich aus. Jeff Bezos‘ Milliarden-Reichtum ist also mit einigen Millionen Tonnen Luftkissen, Folien und Schaumstoffchips gepolstert.

Das Gewicht der Versandpackungen

Kurz vor seinem Weltraumflug konnte man lesen, Jeff Bezos sei der reichste Mann aller Zeiten: Er habe sein Privatvermögen an einem einzigen Tag im Juli 2021 um 8,4 Milliarden Dollar steigern können. In Interviews hat Jeff Bezos erklärt, im Weltraum und mit dem privaten Tourismus, für den er mit seinem Flug geworben hat, sehe er Lösungswege für die Probleme der Erde. Bezos hat sich freilich nicht näher darüber ausgelassen, wie beispielsweise die Lösung der Plastikprobleme aussehen könnte. Sein Amazon-Konzern kritisiert stattdessen die Zahlen und Berechnungsmethoden der Meeresschutzorganisation Oceana – und verweist beschwichtigend darauf, dass man doch das Gewicht der Versandpackungen „schon um mehr als ein Drittel reduziert“ habe.

Neun Milliarden Tonnen Kunststoff

Jeff Bezos‘ Konkurrent um Weltraum-Ruhm und kommerzielle Geschäfte im All ist der britische Milliardär Richard Branson. Er kam mit seinem Weltraumflug am 11. Juli dem Konkurrenten Bezos um ein paar Tage zuvor. Branson ist um einiges älter als Bezos, er ist 1950 geboren. In diese Zeit fällt der Anfang der Massenproduktion synthetischer Materialien. Die umfassende Verwendung von Plastik begann mit der Entdeckung, dass sich ein Abfallprodukt der chemischen Industrie für die Produktion des Kunststoffs PVC eignet. Seit Anfang der 1950er-Jahre wurden weltweit neun Milliarden Tonnen Kunststoff hergestellt; über 75 Prozent sind heute Müll. Die Heinrich-Böll-Stiftung fasst die Situation so zusammen: „Bis heute ist kein Weg gefunden, damit so umzugehen, dass er keine Probleme verursacht“: Pro Jahr werden weltweit 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Den größten Teil davon machen Einwegprodukte und Verpackungen aus. Viele Produkte des täglichen Bedarfs werden nur einmal und meist auch nur kurz genutzt, bevor sie auf dem Müll landen. Beinahe die Hälfte aller Erzeugnisse ist nach weniger als einem Monat Abfall.

Plastik ist die Pest der Meere

Pro Minute gelangt Plastik in der Größe einer Müllwagenladung ins Wasser. Die Meere sind zur globalen Deponie geworden. 2050 wird der Kunststoffmüll in den Ozeanen mehr wiegen als alle Fische zusammen. Nach Schätzungen der Umweltorganisation WWF kommen auf einen Quadratkilometer Meer bis zu 46 000 Teile Plastikmüll. Vom WWF stammt der pointierte Satz: „Das kann kein Meer mehr schlucken“. Auf dem Boden der Nordsee wurden elf Kilo Müll pro Quadratkilometer ermittelt, hauptsächlich Plastik. Viele Kunststoffe enthalten gesundheitsschädliche Substanzen, die erst im Meer richtig freigesetzt werden. Eine Million Seevögel verenden pro Jahr, weil sie schwimmendes Plastik fressen. 100 000 Meeressäuger werden durch Plastik jährlich getötet. Die Tiere ersticken, erleiden tödliche Verstopfungen oder verhungern bei vollem Bauch. Es werden Wale gefunden, deren Mägen mit Plastik gefüllt sind. Plastik ist die Pest der Meere. Vor zwei Jahren hat die SZ der Plastikkrise das Buch Zwei gewidmet; dort findet sich eine Statistik darüber, wer am meisten Plastik exportiert: Es sind die USA, gefolgt von Deutschland.

„Wenn ich Einfluss hätte“

Im Newsletter vom vergangenen Sonntag („Das All gehört allen“) hatte ich über die „abhebenden Milliardäre“ geklagt und darüber, wie sich Bezos, Branson und Elon Musk des Weltraums für galaktische Geschäfte bemächtigen. Es haben mich dazu sehr, sehr viele Mails erreicht, darunter ein Brief des Militärhistorikers Gerd Krumeich, der die Geschichte des Ersten Weltkriegs akribisch erforscht hat, aber auch mit einem großartigen Buch über die sagenhafte Jeanne d’Arc hervorgetreten ist. Krumeich meinte: „Wenn ich Einfluss hätte und Bezos Adresse, würde ich ihm schreiben, dass er sich unsterbliche Helden-Meriten zulegen könnte, wenn er es auf sich nähme, den Pazifik vom Plastikmüll zu befreien.“ Der Mülleppich allein im Nordpazifik soll eine Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern haben; er wäre damit viermal so groß wie Deutschland. Krumeich nennt das „den wohl größten Umweltskandal überhaupt: Bezos könnte doch Schiffe, die normalerweise Fische in unglaublichen Mengen ansaugen, auf Plastikmüll umrüsten. Und dann gleich ein paar Fabriken erstellen, wo das Zeug verarbeitet wird. Vielleicht kann er auch noch Geld damit verdienen, würde ich ihm gönnen, aber er wäre dann ein Retter der Menschheit.“

„The Ocean Cleanup“

Es gibt solche Initiativen schon, nicht von Bezos, Branson oder Musk allerdings – und nicht mit der gewaltigen Finanzkraft, die es bräuchte: Der junge Niederländer Boyan Slat hat ein Projekt namens „The Ocean Cleanup“ in die Tat umgesetzt; als 19-Jähriger brach er sein Raumfahrtingenieur-Studium ab, um die Meere vom Plastikmüll zu befreien. Damals hatte er einen Tauchurlaub gemacht, der ihm die Augen öffnete: Er sah unter Wasser keine schimmernden Fischschwärme und rosige Korallen, sondern tauchte durch vergammelte Flip-Flops und zerdrückte Cola-Flaschen. Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter sammelte er Geld ein, ließ forschen, entwickelte zusammen mit der Technischen Universität Delft Müllsammel-Konzepte: Fangarme und Treibnetze sollen eine künstliche Bucht bilden, wie riesige Filter arbeiten und Plastik einsammeln, aber Fische passieren lassen. Das von den Müllsaugern gesammelte Plastik soll wiederverwertet werden. Das erste Wiederverwertungsprodukt von „The Ocean Cleanup“ sind Sonnenbrillen. Aber: Nicht alle Meeresschutzexperten und Meeresbiologen sind begeistert. Es lasse sich, heißt es, überhaupt nicht vermeiden, dass man auch große Mengen an Biomasse abschöpft, die eigentlich in die Flüsse und das Meer gehört.

Aber was tun? Gar nichts, weil ohnehin wenig auszurichten ist? Im Spiegel war im August 2020 von einer ernüchternden Hochrechnung eines Forscherteams zu lesen: Selbst wenn 200 Müllsammler à la „The Ocean Cleanup“ 130 Jahre lang rund um die Uhr auf den Weltmeeren unterwegs wären, könnten sie angeblich nur rund 45 000 Tonnen Müll von der Wasseroberfläche abschöpfen – fünf Prozent der Mengen, die auf den Weltmeeren zirkulieren. Effizienter, sagen diese Forscher, wäre es da, den Müll schon in den Flüssen abzufangen, bevor er ins Meer gelangt. Auch daran arbeitet „The Ocean Cleanup“. Das Unternehmen hat ein Reinigungssystem für Fließgewässer entwickelt; Interceptor heißt eine in Flüssen verankerbare Sammelanlage, eine Art schwimmendes Fließband. Nach Angaben von „The Ocean Cleanup“ sind tausend Flüsse, also etwa ein Prozent aller Flüsse, für etwa 80 Prozent des Plastikeintrags verantwortlich – und sollen innerhalb von fünf Jahren mit Interceptors ausgestattet werden. Derzeit arbeiten 90 Mitarbeiter für die Non-Profit-Organisation, die meisten am Hauptsitz Rotterdam.

„Sea Cleaners“

Der Extremsegler Yvan Bourgnon gründete 2016 die Umweltschutzorganisation „Sea Cleaners“. Ihr großes Projekt ist der Manta: ein 56 Meter langes und 26 Meter breites Segelschiff von der Anmutung eines Rochens, der nahezu emissionsfrei über das Wasser gleiten und Plastikmüll herausfischen soll. Die Kollegin Vivien Timmler hat in einem schönen SZ-Text vom Februar 2021 darüber geschrieben: Der Manta soll den Müll nicht nur sammeln, sondern direkt an Bord daraus Energie gewinnen, die wiederum das Schiff antreiben soll. Das Konzept: Über Förderbänder gelangt der Müll an Deck. Dort wird er sortiert, zerkleinert und in einem Pyrolyse genannten Prozess erst zu Gas und dann zu Strom umgewandelt. Was nicht verwertet werden kann, wird alle paar Wochen an Land gebracht und dort recycelt. 2022 soll der Bau des Prototypen beginnen, 2024 soll er erstmals in See stechen.

Nochmals: Wenn ich Einfluss hätte

Wenn man von Bezos, Branson und Musk Rettung erwartet, kann man wahrscheinlich lange warten. Die Namen stehen für das Problem und nicht für die Lösung. Bevor man sich der Illusion hingibt, die drei reichen Weltraumsurfer könnten ihr weiches Herz für die Meere entdecken und ihre Weltraumanzüge gegen Spendierhosen austauschen, konzentriert man sich besser auf den Mikroeinfluss der vielen Einzelnen. Das bringt mehr gegen die Verseuchung mit Mikroplastik, und das verlangt: Müll vermeiden; politischen Druck machen, um den Müllexport zu unterbinden; informieren, informieren, informieren – und das Ganze dann noch mal von vorn und nicht aufhören damit. Die künftige Bundesregierung kann ja damit anfangen.

Ich wünsche Ihnen eine erholsame Ferienzeit, ich wünsche Ihnen schöne Augustwochen

Ihr 
Heribert Prantl, 

Kolumnist und Autor der Süddeutschen Zeitung