28. März 2016
Immer mehr Länder investieren verstärkt in ihr Schienennetz. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt und reagieren auf die verschiedenen Faktoren wie Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Klimawandel. Deutschland ist davon noch weit entfernt.
Deutschland ist nicht Bahnland
Trotzdem profitiert auch die Deutsche Bahn AG von dieser Entwicklung. Die DB International und die DB Projekt Bau, beides 100prozentige Bahntöchter, sind schon seit Jahren in Auslandsgeschäften aktiv. Beide will Bahnchef Rüdiger Grube nun zu einem Unternehmen zusammenfassen, um noch effektiver den Markt bedienen zu können. Er will damit auch ein weiteres Standbein schaffen, mit dem er die Verluste im Inland ausgleichen kann.*
Eine Herausforderung der besonderen Art kommt jetzt auf die DB-Töchter zu.
Erstmalig auf der Welt soll ein Hochgeschwindigkeitszug durch die Wüste brausen. Der erste Zug dieser Art wird, so ist die Planung, ab 2017 im Westen Saudi-Arabiens die Städte Mekka, Dschidda und Medina auf einer 450 Kilometer langen Strecke verbinden.
Die Deutsche Bahn leitet derzeit die Baustelle in dem Wüstenstaat, ein hoher Anspruch an deutsche Ingenieurskunst.
450 Kilometer Schienen zu verlegen ist eigentlich kein großes Ding für die beteiligten Ingenieure – es ist die Wüste mit ihren extremen Gegebenheiten.
Tägliche Temperaturschwankungen von mehr als 50 Grad Celsius, plötzlich einsetzende Starkregen mit Wadis, die zu reißenden Strömen werden können und wandernde Dünen sind nur ein Teil der zu lösenden Aufgabenbereiche.
Dafür müssen sie sich nicht mit begrenzten Mitteln, deutschem Planungsrecht und Bürgerbeteiligung herumschlagen – sie können einfach loslegen.
Planung, Bauüberwachung und Baustellenleitung in einer Hand – bis die ersten Züge rollen. Das ist wie eine Hadsch für deutsche Planer und Ingenieure.
Bisher ist allerdings nicht bekannt, ob auf der Strecke auch Züge Made in Germany rollen werden. – Da aber bestimmt noch kein Mitglied der saudischen Königsfamilie in einem Hochgeschwindigkeitszug von München nach Baden-Baden unterwegs war und wegen ausgefallener Klimaanlagen und Halt auf freier Strecke gegrillt und zu spät am Zielort angekommen war, kann es durchaus sein, dass deutsche Firmen auch in diesem Segment zum Zuge kommen.
Spätestens wenn dann nach 2017 ein lautes „G r u u u u u u be!“ wie Donnerhall übers Mittelmeer bis nach Berlin tönt, wissen wir: Es sind auch deutsche Züge im Einsatz.
*Die Deutsche Bahn AG ist u.a. noch in China, Indien, Australien, Katar, . . . . . . aktiv.
Passend zu der Thematik in Der Spiegel* ein Kurz-Interview mit dem Fraktionschef der Grünen, Dr. Anton Hofreiter, über die anhaltende Misere bei der Deutschen Bahn AG.
„Spiegel: Der Konzern hat das schlechteste Jahr seit Langem hinter sich. Wie kommt er wieder in die Offensive?
Hofreiter: Die Deutsche Bahn muss endlich den Schalter umlegen: von Investments im Ausland zum heimischen Schienennetz, von Abzocke zu fairen Ticketpreisen, von überteuerten Prestigeprojekten zur Sanierung des Bestandsnetzes, von Unzuverlässigkeit zu Pünktlichkeit.
Die kriselnde Gütersparte soll saniert werden, indem tausende Stellen gestrichen und Verladestationen dichtgemacht werden. Ist das der richtige Weg?
Es ist inakzeptabel, dass die Bahn Betriebe vom Netz abkoppelt, dadurch Güterverkehr auf die Straße lenkt. Das ist zukunftsvergessen und volkswirtschaftlich schädlich.
Glauben Sie Bahnchef Grube noch, der seit Jahren Besserung verspricht?
Es reicht nicht, wenn Grube vom Verkehr in Deutschland als Brot- und Butter-Geschäft fabuliert. Er muss ihn als Kernaufgabe wahrnehmen – und darf sich nicht international verzetteln.
Der Bund als einziger Aktionär der Bahn lässt Grube aber gewähren.
Ich erwarte, dass sich die Bundesregierung wirksam für die öffentlichen Interessen einsetzt. Schließlich muss die öffentliche Daseinsvorsorge im Vordergrund stehen, nicht eine wertlose Geschäftsbilanz.“
*Der Spiegel, 26.3.2016