Bundesrepublikanische Rechenakrobatik

28. Juli 2015

Verantwortungsvoller Umgang mit fremdem Geld sollte in der Regel oberstes Prinzip sein. Nicht so bei der Bundesregierung. Da sitzen gutbezahlte Beamte und schludern, dass die Schwarte kracht. Und viele Abgeordnete sind keinen Deut besser.

Zwei Beispiele aus zwei Ministerien.

I.

Wie Der Spiegel* in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, hat sich das Verteidigungsministerium bei zwei bedeutenden Rüstungsprojekten um jeweils rund eine Milliarde Euro verrechnet.

Bei dem Lenkflugkörper Meteor wurden im Vergleich zur Erstplanung nicht 1,2 Milliarden Euro eingespart, sondern lediglich 11 Millionen. Als Ursache wurde ein „fehlerhaftes Datenwerk“ inzwischen von dem Verteidigungsministerium eingeräumt. Im zweiten Fall geht es um den Schützenpanzer Puma. So liege der Puma nicht rund 2,3 Milliarden Euro über den ursprünglichen Planungen, sondern 1,3 Milliarden Euro“, schreibt Der Spiegel. Man habe sich auf eine „grobe Schätzung“ verlassen, so das Ministerium. Beide Fehler wurden erst bei der Beantwortung einer Anfrage aus dem Bundestag bemerkt.

„Fehlerhaftes Datenwerk“ und „grobe Schätzung“: Jeder Bundesbürger hat wohl eine „grobe Schätzung“, dass er eigentlich keine Steuern zahlen müsse.

II.

In diesem Fall geht es um die mittlerweile ausgesetzte Maut aus dem Hause Dobrindt. Der Fall strahlt bis in den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.

Wie Die Zeit in ihrer Ausgabe vom 25. Juni 2015 berichtete, hat „sich das Verkehrsministerium bei der Pkw-Maut verrechnet.“ Und zwar gewaltig!

Eine, die wichtigste, der Begründungen für die Maut waren die Einnahmen in Höhe von zirka 700 Millionen Euro jährlich. Ein Betrag, der nach Abzug der Kosten in die Sanierung der bundesdeutschen Straßen fließen sollte.

Frank Schmid, Inhaber der Firma Mobility Solutions hatte seine Zweifel; für ihn war dieser Wert zu hoch angesetzt. Er überprüfte das Rechenwerk aus dem Hause Dobrindt und stellte fest, dass sich die Ministerialen verrechnet hatten. Das kann doch nicht wahr sein, war sein erster Gedanke. Zur Überprüfung seiner Rechnung ließ er drei seiner Mitarbeiter unabhängig voneinander nachrechnen: Sie bestätigten seine Zahlen.

Was war im Ministerium falsch gelaufen?

Grundlage für die Berechnung dort war der Wert von 130 Millionen Ein- und Durchfahrten von ausländischen Fahrzeugen pro Jahr. Schmid hat herausgefunden, dass dieser Wert sowohl die Einreisen nach Deutschland als auch die Ausreisen enthält. Die Beamten des Ministeriums hatten das übersehen: Sie hatten jeden ausländischen Pkw doppelt gezählt. Einmal bei der Einreise und einmal bei der Ausreise.

Statt 700 Millionen Euro bleiben also lediglich 350 Millionen übrig. Abzüglich der Kosten „sprudeln“ dann nur noch rund 130 Millionen Euro in die Kasse des Verkehrsministeriums.

„Rund 70 Prozent der Einnahmen würden allein für die Kosten der Erhebung draufgehen. Damit ist die Maut ökonomisch nicht mehr zu verantworten“, so Schmid.

Und jetzt der Hammer!

Alle Parteien waren an Schmid´s Zahlen interessiert. Die SPD hat Schmid sogar zu einer Anhörung in den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages eingeladen.

„Da bin ich dann im März auch hingefahren. Ich habe ja gehofft, die Pkw-Maut mit meinen Zahlen noch aufhalten zu können. Wenn ein Ministerium handwerklich nicht sauber arbeitet, dachte ich, dann muss das doch Konsequenzen haben.“

Und dann?

„Nichts! Es ist überhaupt nichts passiert! Die Bundesregierung hat die Maut so schnell wie möglich durch den Bundestag gepeitscht. Meine zahlen waren der Politik am Ende scheißegal.“

*Der Spiegel, 25.7.2015

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